Kratzer durch Einkaufswagen als Verkehrsunfall

Autor: Rechtsanwalt Daniel Neubauer – verfasst am 11. MĂ€rz 2013
Kategorie: Verkehrsrecht

Wer einfach wegfĂ€hrt, macht sich wegen “Fahrerflucht” strafbar.

Auf den engen ParkplĂ€tzen vieler Supermarkte ist es schnell passiert: Der Einkaufswagen macht sich plötzlich selbstĂ€ndig, streift einen anderen Pkw und verursacht Lackkratzer. Nach einem aktuellen Urteil des OLG DĂŒsseldorf stellt dies einen Verkehrsunfall dar. Wer nach alledem einfach wegfĂ€hrt, macht sich strafbar.

Im vorliegenden Urteil begab sich der Angeklagte nach einem Einkauf mit dem Einkaufswagen zu seinem auf dem Parkplatz des Supermarktes abgestellten Lkw. WĂ€hrend des Ausladevorgangs rollte der vom Angeklagten gefĂŒhrte Einkaufswagen gegen einen gegenĂŒber geparkten Pkw und beschĂ€digte diesen, wobei ein Sachschaden in Höhe von 1.500,00 EUR entstand. Obwohl der Angeklagte den Schaden bemerkte, verließ er den Parkplatz des Supermarktes, ohne sich weiter um den Schaden zu kĂŒmmern (OLG DĂŒsseldorf, Urteil vom 07.11.2011, Az. III-1 RVs 62/11).

Nach Auffassung des OLG DĂŒsseldorf – und der ĂŒberwiegenden Ansicht der Strafgerichtsbarkeit – ist eine Kollision eines Einkaufswagens mit einem parkenden Pkw auf einem öffentlich zugĂ€nglichen Parkplatz als Unfall im Straßenverkehr gemĂ€ĂŸ § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB anzusehen (so auch u. a. OLG Stuttgart, VRS 47, 15).

Dabei stellen sich sowohl das Parken des Pkw als auch das Betreten der VerkehrsflĂ€che als FußgĂ€nger zum Zwecke des Be- und Entladens als gewöhnliche VerkehrsvorgĂ€nge dar (OLG Koblenz, NStZ 2007, 100), die unter den Schutz des § 142 StGB fallen.

Das nach der Rechtsprechung geforderte verkehrstypische Risiko sei insoweit verwirklicht, da Fahrzeuge auf öffentlich zugĂ€nglichen ParkplĂ€tzen erhöhten Gefahren durch wegrollende Einkaufswagen ausgesetzt seien. Daher handele es sich um eine typische Situation des Straßenverkehrs, dem auch parkende Fahrzeuge zuzurechnen seien. Insoweit sei zu beachten, dass auch FußgĂ€nger sich nach § 142 StGB strafbar machen können, sofern ihr Einkaufswagen ein Fahrzeug beschĂ€digt (OLG DĂŒsseldorf, Urteil vom 07.11.2011, Az. III-1 RVs 62/11).

Im Falle der BeschĂ€digung eines Pkw durch einen Einkaufswagen ist den Benutzern daher dringend anzuraten, die Polizei herbeizurufen und den Unfall aufnehmen zu lassen, um nicht ein Ermittlungsverfahren wegen „Unfallflucht“ nach § 142 StGB zu riskieren. Insoweit ist ausdrĂŒcklich darauf hinzuweisen, dass das Hinterlassen von Namen und Anschrift auf einem Zettel hinter der Windschutzscheibe regelmĂ€ĂŸig nicht den einem Unfallbeteiligten obliegenden Feststellungs- und Wartepflichten genĂŒgt (so Fischer, StGB, § 142 Rn 37).

Zum Zwecke der zivilrechtlichen Schadensregulierung tritt regelmĂ€ĂŸig die Kfz-Haftpflichtversicherung ein; jedoch nur dann, wenn das zu be- oder entladende Fahrzeug an der schadenstiftenden Verrichtung schon oder noch beteiligt war (so BGH DAR 1977, 218), so beispielsweise beim Einladen der EinkĂ€ufe auf dem Parkplatz.

Vor dem Öffnen des Pkw wird daher regelmĂ€ĂŸig nur die Privat-Haftpflichtversicherung als eintrittspflichtig angesehen, da ein noch abgeschlossenes Fahrzeug grundsĂ€tzlich noch nicht am schadensstiftenden Ereignis beteiligt ist (LG Limburg, NJW-RR 1994, 486).