Wunde wurde im Krankenhaus mit einem Putzmittel ausgespült
Autor: Rechtsanwalt Marcel Wahnfried – verfasst am 7. März 2013
Kategorie: Arzthaftungsrecht
OLG Köln spricht der Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 5.500,00 Euro zu.
Es hört sich zunächst völlig unglaublich an, aber der Klägerin wurde als Patientin in einem Krankenhaus eine operierte Wunde mit einem Putzmittel ausgespült.
Wie kam es dazu?
Die Klägerin musste sich aufgrund von Abszessen in ihrer linken Brust in den Jahren 2004, 2005 und 2006 mehrfach operativen Eingriffen in einem Krankenhaus unterziehen. Bei diesen Eingriffen wurde der Abszess jeweils gespalten. Nach ihrer letzten Operation am 19.05.2006 wurde die operierte Wunde täglich mit Octenisept gespült. Bei Octenisept handelt es sich um ein Desinfektionsmittel unter anderem zu Wunddesinfektion.
Am 01.06.2006 wurde bei der Klägerin im Rahmen der stationären Behandlung abermals eine Wunddesinfektion durchgeführt. Die behandelnde Ärztin verwendete zur Wunddesinfektion dieses Mal nicht Octenisept, sondern Terralin Liquid. Hierbei handelt es sich um ein Flächendesinfektionsmittel, welches in Krankenhäusern beispielsweise zur Desinfektion von Operationstischen und medizinischen Geräten verwendet wird.
Die die Klägerin behandelnde Ärztin – die bei der Beklagten beschäftigt ist – verwechselte insoweit die Octenisept-Flasche mit der Terralin Liquid-Flasche.
Nachdem die Operationswunde mit Terralin Liquid ausgespült wurde, erfolgten weitere Nachspülungen der Wunde mit Kochsalzlösungen. Die Klägerin erlitt insoweit Verätzungen an der Operationswunde mit dementsprechend verbundenen Schmerzen. Außerdem verzögerte sich hierdurch die Wundheilung um etwa ein halbes Jahr.
Außergerichtlich zahlte die Haftpflichtversicherung der Beklagten ein Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro.
Die Klägerin hatte erstinstanzlich auf die Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 30.000 Euro sowie auf Feststellung geklagt, dass die Beklagte zukünftig verpflichtet sei, sämtliche aus der fehlerhaften Behandlung vom 01.06.2012 entstehenden materiellen Schäden zu ersetzen, soweit diese nicht auf Dritte übergangen sind.
Erstinstanzlich hatte das LG Köln die Beklagte zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgeldes in Höhe von 4.000 Euro verurteilt sowie dem Feststellungsantrag stattgegeben.
Gegen dieses Urteil legte die Klägerin vor dem OLG Köln Berufung ein.
Die Entscheidungsgründe des OLG Köln
Das OLG Köln änderte das Urteil des LG Köln unter anderem dahingehend ab, dass die Beklagte verurteilt wurde, nicht nur weitere 4.000 Euro, sondern nunmehr weitere 5.500 Euro an die Klägerin als Schmerzensgeld zu zahlen. Unter Berücksichtigung der außergerichtlich durch die Haftpflichtversicherung der Beklagten gezahlten 500 Euro beträgt das letztlich zu zahlende Schmerzensgeld folglich 6.000 Euro.
So nahm das OLG Köln vorliegend einen groben Behandlungsfehler seitens der Beklagten an.
Hierbei stützte sich das OLG Köln auf die in der Rechtsprechung seit langem anerkannte Definition zum groben Behandlungsfehler, wonach ein solcher Fehler dann vorliege, wenn entweder ein eindeutiger Verstoß gegen bewährte ärztliche Behandlungsregeln gegeben sei oder gegen gesicherte medizinische Erkenntnisse verstoßen werde. Somit müsste der behandelnde Arzt einen Fehler begangen haben, der aus objektiver (ärztlicher) Sicht nicht mehr verständlich sei und einem Arzt schlechterdings auch nicht unterlaufen darf. Hierbei stützte sich das OLG Köln unter anderem auf das Urteil des BGH vom 09.01.2007 – AZ. : VI ZR 59/06.
Das OLG Köln führte zur Begründung weiter aus, dass die Verwechselung des Desinfektionsmittels nicht verständlich sei und leicht zu vermeiden gewesen wäre, wenn das Etikett der Flasche kontrolliert worden wäre. Weiterhin argumentierte das OLG Köln, dass im vorliegenden Fall eine Kontrolle des Etiketts auch deshalb geboten gewesen wäre, da sich die Flaschen beider Desinfektionsmittel ähnelten.
Zudem führte das OLG Köln im Hinblick auf einen groben Behandlungsfehler aus, dass es auch nicht nachvollziehbar sei, warum die Flasche mit dem Flächendesinfektionsmittel direkt neben dem Verbandsmaterial und dem eigentlich für die Patienten bestimmten Desinfektionsmittel aufbewahrt worden sei.
Ferner bejahte das OLG Köln aufgrund des groben Behandlungsfehlers und der daraus zudem für typische Sekundärschäden folgenden Beweislastumkehr die Kausalität der fehlerhaften Behandlung im Hinblick auf den verzögerten Wundheilungsverlauf.
In Bezug auf die seitens der Klägerin bestehenden Dauerfolgen, die sich durch eine Fistelbildung in der linken Brust sowie durch Missempfindungen und Schmerzen in der linken Brust darstellen, hat das OLG Köln eine Beweislastumkehr verneint, da es sich ausweislich des eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens nicht um einen aus dem Primärschaden (Verätzung des Brustgewebes) folgenden typischen Sekundärschaden handele.
Bei der Bemessung des Schmerzensgeldes hat das OLG Köln zugunsten der Klägerin einerseits die erlittenen Schmerzen durch das Ausspülen der Operationswunde mit dem Flächendesinfektionsmittel  sowie andererseits den um etwa ein halbes Jahr verzögerten Wundheilungsverlauf berücksichtigt.
Weiterhin stellte das OLG Köln bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auf das außergerichtliche Regulierungsverhalten der Haftpflichtversicherung ab, da das insoweit von der Haftpflichtversicherung gezahlte Schmerzensgeld in Höhe von 500 Euro als unzureichend angesehen wurde.
Dieser Urteilsbesprechung liegt das Urteil des OLG Köln vom 27.06.2012 – Az. : 5 U 38/10 zugrunde.