Kostenfreier Rücktritt vom Reisevertrag wegen weltweiter Gefahrenlage aufgrund SARS-Cov-2

Autor: Rechtsanwalt Daniel Neubauer – verfasst am 11. April 2022
Kategorie: Reiserecht

Die weltweite Gefahrenlage in Bezug auf ein noch unbekanntes Virus, welches die Atemwege befällt sowie potenziell Langzeitschäden verursacht (SARS-CoV-2) und gegen das es zum Rücktrittszeitpunkt weder eine Therapie oder eine Impfung gibt, rechtfertigt den kostenfreien Rücktritt von einem Pauschalreisevertrag.

Mit aktuellem Urteil vom 04.04.2022 hat das Amtsgericht Köln (Az.: 133 C 268/21) unserem Mandanten die vom Reiseveranstalter erhobenen Stornogebühren zugesprochen und den Veranstalter zur Rückzahlung verurteilt.

Der Kläger hat eine ab dem 02.06.2020 gebuchte Reise nach Ausbruch der weltweiten Corona-Pandemie am 07.04.2020 storniert und den Reiseveranstalter vergeblich um Rückzahlung der gezahlten Anzahlung aufgefordert. Der Veranstalter hatte seinerseits eine Stornoentschädigung geltend gemacht.

Das Amtsgericht folgte unserer Rechtsauffassung und verurteilte den Reiseveranstalter zur Rückzahlung des Reisepreises. Es wies insbesondere darauf hin, dass die WHO bereits am 11.03.2020 die Verbreitung des Coronavirus als weltweite Pandemie einstufte und die Bundeskanzlerin am 12.03.2020 dazu aufrief, auf Sozialkontakte soweit wie möglich zu verzichten. Am 17.03.2020 sei durch das Auswärtige Amt eine allgemeine Reisewarnung ausgesprochen worden.

Für den Kläger war auf Grundlage dieser Informationen bereits fest umrissen, dass die Wahrscheinlichkeit, sich während seiner Urlaubsreise anzustecken, deutlich höher war, als wenn er zu Hause bliebe, zumal er nicht ausschließen könne, während der Reise größeren Menschenansammlungen in seinem unmittelbaren Nahbereich ausgesetzt zu werden. Zum Rücktrittszeitpunkt sei jedenfalls bekannt gewesen, dass das Infektionsrisiko steige, je länger und je unmittelbarer ein Kontakt zu einer infizierten Person bestehe. Hinsichtlich der konkreten Beförderung und Reise sei nicht ersichtlich, dass entsprechende Kontakte zu vermeiden wären. Auf einer Reise und im Hotel seien Reisende regelmäßig mehreren und zudem wechselnden Kontakten ausgesetzt. Gleichzeitig seien die Rückzugsmöglichkeiten beschränkt und das Tragen von sogenannten Mund-Nasen-Bedeckungen böten — insbesondere in engen, geschlossenen Räumen, wie einem Flugzeug — keinen absoluten Schutz vor Infektionen.

Unerheblich sei nach Ansicht des Amtsgerichts zudem, dass der Kläger den Rücktritt bereits etwa acht Wochen vor dem geplanten Reisezeitraum erklärte. Eine etwaige Verpflichtung des Reisenden, den Rücktritt möglichst zeitnah vor Reiseantritt zu erklären, sei gesetzlich nicht vorgesehen. Allein maßgeblich sei, dass der Kläger bereits zum Zeitpunkt des Rücktritts am 07.04.2020 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit prognostizieren konnte, dass die seiner Prognose zugrunde liegenden Umstände noch zum Zeitpunkt der geplanten Reise vorliegen würden. Hierbei sei – so das Amtsgericht – weder ersichtlich gewesen, dass die Pandemie bis zum Reisezeitpunkt beendet sein, noch dass bis dahin hinreichende Schutz- oder Therapiemöglichkeiten bestehen würden.

Amtsgericht Köln, Urteil vom 04.04.2022 – Az.: 133 C 268/21 (RRa 2023, 21)