Kostenfreie Stornierung der Reise bei erhöhter Vulnerabilität gegenüber dem Sars-CoV-2-Virus

Autor: Rechtsanwalt Daniel Neubauer – verfasst am 28. Juni 2021
Kategorie: Reiserecht

Sind die Reisenden in einem Alter, welches zu einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber dem Sars-CoV-2-Virus führt und ist der Urlaubsort vernünftigerweise nur mit einem Flugzeug zu erreichen, kann dies eine kostenfreie Stornierung des Reisevertrages rechtfertigen. Dies ist auch dann anzunehmen, wenn die Reisenden nicht per se einer Risikogruppe als zugehörig betrachtet werden können und am Urlaubsort keine Reisewarnung mehr vorliegt.

Dies hat das Amtsgericht Bochum in seinem Urteil vom 30.04.2021 (Az.: 70 C 12/21) entschieden und unserer Mandantin die Rückzahlung der getätigten Anzahlung für die gebuchte und in der Folge stornierte Urlaubsreise zugesprochen.

Dem Rechtsstreit lag eine Pauschalreise nach Mallorca zugrunde, von der die Klägerin Mitte Juli 2020 und damit rund fünf Wochen vor Reiseantritt, wegen der Corona-Pandemie zurückgetreten ist. Die weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amtes war zu diesem Zeitpunkt aufgehoben. Der Reiseveranstalter machte daraufhin Stornokosten geltend und verweigerte die Rückzahlung des gezahlten Anzahlungsbetrages.

Das Amtsgericht gab der erhobenen Klage vollumfänglich statt. Nach Auffassung des Amtsgerichts ist eine Reisewarnung keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstandes i. S. d. § 651h BGB. Auch ein Rücktritt fünf Wochen vor Reiseantritt sei nicht als übereilt anzusehen. In der Gesamtschau hat das Amtsgericht zudem das Alter der Reisenden sowie die Tatsache berücksichtigt, dass der Urlaubsort nur mit einem Flugzeug zu erreichen war.

Das Amtsgericht wies in seinem Urteil dabei darauf hin, dass die Klägerin bei Antritt der Reise Gefahr gelaufen wäre, sich am Urlaubsort mit dem Sars-CoV-2-Virus zu infizieren und in diesem Fall nur unter erschwerten Bedingungen und immensen Zusatzkosten zurück nach Deutschland hätte gelangen können. Auch hätte der Anfall von Behandlungskosten in Spanien gedroht, deren Erstattungsfähigkeit durch eine deutsche Krankenkasse fraglich gewesen wäre. Letztlich wäre auch eine Quarantäne am Urlaubsort nicht auszuschließen gewesen. Hierbei hat das Amtsgericht auch berücksichtigt, dass das bis heute sich stetig wandelnde und schwer vorhersehbare Infektionsgeschehen weltweit nicht nur in Deutschland binnen kurzer Zeit zu drastischen Maßnahmen führen könne.

Schließlich sah das Amtsgericht auch die Stornokostenpauschale des Reiseveranstalters, welche eine Eingangsstufe von 30 % des Reisepreises bis 30 Tage vor Reiseantritt vorsieht, als unangemessen hoch und damit unwirksam an.

Der Reiseveranstalter wurde daher durch das Amtsgericht zur Rückzahlung des Reisepreises in Form der getätigten Anzahlung verurteilt.

Amtsgericht Bochum, Urteil vom 30.04.2021 – Az.: 70 C 12/21