Einstufung des Reiselandes als Risikogebiet und steigende Infektionszahlen berechtigen zum kostenfreien Rücktritt vom Reisevertrag

Autor: Rechtsanwalt Daniel Neubauer – verfasst am 21. Mai 2021
Kategorie: Reiserecht

Die Einstufung eines Reiselandes durch das RKI als Risikogebiet verbunden mit einer erheblichen Zunahme der Infektionszahlen berechtigt den Reisenden zu einem kostenfreien Rücktritt vom Reisevertrag. Der Reiseveranstalter kann in diesem Fall keine Stornokosten verlangen. Dies hat das Amtsgericht München in einem durch unsere Kanzlei erwirkten Urteil (Az.: 243 C 601/21) entschieden und den Reiseveranstalter zur Rückzahlung des restlichen Reisepreises verurteilt.

Die Reisenden stornierten im letzten Sommer ihren Türkeiurlaub wegen der Corona-Pandemie, nachdem das Auswärtige Amt die Reisewarnung für die Urlaubsgebiete in der Türkei bereits aufgehoben hatte. Der Veranstalter weigerte sich daraufhin, den Rücktritt zu akzeptieren und den Reisepreis zu erstatten.

Das Amtsgericht machte in seiner Urteilsbegründung deutlich, dass es für die erforderliche Prognose der erheblichen Beeinträchtigungen am Urlaubsort nicht zwingend auf das Vorliegen einer Reisewarnung ankomme, da diese lediglich Indizwirkung entfalte.

Aus der fortgesetzten Einstufung als Risikogebiet durch das RKI sei vielmehr zu schließen, dass die Lage im Urlaubsgebiet nicht so unter Kontrolle war, wie dies in anderen Ländern der Fall war. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass es ab dem Zeitpunkt der Aufhebung der Reisewarnung zu einer erheblichen Zunahme der Corona-Zahlen im Reiseland kam, wobei die Infektionszahlen in der Türkei binnen eines Monats ab Aufhebung der Reisewarnung um 60 % gestiegen waren. Hieraus konnte der Reisende insgesamt die Schlussfolgerung ziehen, dass es zu einer erheblichen Beeinträchtigung der Reise kommen könne.

Der Reisende war daher berechtigt, kostenfrei vom Reisevertrag zurücktreten, mit der Folge, dass der Veranstalter den einbehaltenen Reisepreis vollständig zurückzahlen musste.

Amtsgericht München, Urteil vom 29.04.2021 – 243 C 601/21