Alter und Vorerkrankungen können kostenfreien Rücktritt rechtfertigen

Autor: Rechtsanwalt Daniel Neubauer – verfasst am 4. Mai 2023
Kategorie: Reiserecht

Gehört der Reisende aufgrund seines Alters und gewisser Vorerkrankungen zur Covid-Risikogruppe, kann dies einen kostenlosen Rücktritt vom Reisevertrag während der Corona-Pandemie rechtfertigen. Dies hat das Amtsgericht München in seiner Entscheidung vom 09.03.2023 (Az.: 161 C 13857/22) bestätigt und den Reiseveranstalter zur Rückzahlung der erhobenen Stornokosten verurteilt.

Der Kläger buchte im Januar 2020 bei der Beklagten eine Pauschalreise nach Ägypten für den Reisezeitraum vom 20.09. bis 04.10.2020. Aufgrund der Reisewarnung des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die flächendeckende Ausbreitung des Corona-Virus sowie der Quarantänemaßnahmen und Einreisebeschränkungen in Ägypten trat der Kläger zwei Monate vor Reiseantritt vom Reisevertrag zurück. Die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes bestand sowohl zum Zeitpunkt des Rücktritts als auch über den gesamten Reisezeitraum der geplanten Reise hinweg. Ägypten war vom RKI als Risikogebiet eingestuft. Der Kläger gehört zum Kreis der Risikopersonen mit einem höheren Lebensalter sowie Vorerkrankungen. Die Reise wurde im September 2020 auch tatsächlich nicht durchgeführt.

Das Amtsgericht wies in seinem Urteil darauf hin, dass auch die besondere Situation des Reisenden, insbesondere sein Alter und die daraus resultierende Zugehörigkeit zur Risikogruppe, zu berücksichtigen sei, da diese individuellen Verhältnisse des Reisenden für die Durchführbarkeit der Reise erst aufgrund der außergewöhnlichen Umstände im Sinne von § 651h Abs. 3 BGB Bedeutung gewinnen und die daraus resultierenden Gefahren für den Reisenden dem gewöhnlichen Reisebetrieb im Buchungszeitpunkt noch nicht innegewohnt haben.

Angesichts der Umstände des Einzelfalls sei die Prognose des Klägers bereits zwei Monate vor Reiseantritt zulässig und zutreffend gewesen, wonach die geplante Reise erheblich beeinträchtigt sein würde. Ausweislich der Reisewarnung für Ägypten und der Einordnung Ägyptens als Risikogebiet war klar, dass Ägypten von der Pandemie ebenfalls schwer betroffen war. Das lege weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie am Zielort nahe (Einreisebeschränkungen, Quarantänepflicht etc), die die geplante Durchführung eines Erholungsurlaubs erheblich beeinträchtige, so das Amtsgericht in seinen Entscheidungsgründen. Insbesondere für Personen, für die die zu diesem Zeitpunkt noch nicht therapierbare Erkrankung an Covid eine besondere Gefahr darstelle, wiege auch die zu befürchtende erhebliche Gefahr der Ansteckung schwerer. Daher war nach Ansicht des Amtsgerichts bereits zwei Monate vor Reiseantritt nicht davon auszugehen, dass sich die Situation zum Reisezeitpunkt deutlich besser darstellen würde.

Ein Rücktritt zwei Monate vor Reisebeginn sei nach Auffassung des Amtsgerichts auch nicht als übereilt zu bewerten, da der teils diskutierte Vorlauf von vier Wochen, binnen derer ein Rücktritt empfohlen werde, lediglich als Faustregel zu sehen sei.

Amtsgericht München, Urteil vom 09.03.2023 (Az.: 161 C 13857/22)