Darf ein Jobcenter ein ohne Bewilligungsbescheid gezahltes Arbeitslosengeld II vom Leistungsempfänger zurückfordern?

Autor: Rechtsanwalt Marcel Wahnfried – verfasst am 31. Januar 2017
Kategorie: Sozialrecht

Grundsätzlich ja! Dennoch hat das Sozialgericht Dortmund mit Urteil vom 21.09.2016 (Aktenzeichen: S 35 AS 1879/14) dem klagenden Leistungsempfänger Recht gegeben und den Erstattungsbescheid des Jobcenters aufgehoben.

Der sozialgerichtlichen Entscheidung lag zugrunde, dass dem Leistungsempfänger durch das Jobcenter in Ausführung eines gerichtlichen Beschlusses für einen Zeitraum von sechs Monaten Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II gewährt wurden.

Nach dem Ablauf des vorgenannten Zeitraums erbrachte das Jobcenter weitere Leistungen für den Kläger und dessen Familie in Höhe von monatlich 1.138,00 €, ohne jedoch über den Weiterbewilligungsantrag zu entscheiden. Der Kläger hatte das Jobcenter zuvor auch an die Entscheidung über den Weiterbewilligungsantrag erinnert.

Nachdem das Jobcenter dies bemerkte, verlangte dieses vom Leistungsempfänger die Überzahlung zurück. Nach der Durchführung des Widerspruchsverfahrens verfolgte der Leistungsempfänger seine Rechte mit der Erhebung der Klage beim Sozialgericht Dortmund weiter.

Grundsätzlich können Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II, die ohne einen Verwaltungsakt (Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheid) erbracht worden sind, vom zuständigen Jobcenter mittels Erstattungsbescheides zurückverlangt werden. Dies setzt allerdings voraus, dass das Jobcenter vor Erlass eines Erstattungsbescheides eine Vertrauensschutzprüfung durchführt und überdies sein Ermessen im Wege der gesetzlichen Vorgaben ausübt.

An dieser Stelle ist darauf hinzuweisen, dass mit Bescheid bewilligte Sozialleistungen nach den Vorgaben der §§ 44 ff. SGB X vom Leistungsempfänger zurückverlangt werden können. Diese Regelungen verlangen von der Behörde jedoch die Prüfung der Umstände, ob der Leistungsempfänger auf den Bestand des Verwaltungsaktes (Bewilligungs- bzw. Änderungsbescheid) vertraut hat (Vertrauensschutz). Darüber hinaus hat die Behörde ihr gesetzlich eingeräumtes Ermessen (d. h. „ob“ der Bescheid aufgehoben wird) entsprechend auszuüben.

Würden diese Voraussetzungen (Prüfung von Vertrauensschutz und Ausübung von Ermessen) bei der Rückforderung ohne Bescheid gewährter Leistungen nicht gelten, stünden diejenigen Leistungsempfänger rechtlich schlechter, bei denen die Behörde versehentlich oder fehlerhaft ohne Bescheid Leistungen bewilligt hat.

Das Sozialgericht Dortmund hat den Erstattungsbescheid des Jobcenters mit der Argumentation aufgehoben, dass das betreffende Jobcenter die zuvor dargelegten Umstände beim Erlass des Erstattungsbescheides nicht hinreichend geprüft habe.

Vielmehr habe der Kläger, so das Sozialgericht, davon ausgehen dürfen, dass die Zahlung der Leistungen in Höhe von 1.138,00 € auf der – tatsächlich nicht erfolgten – Bescheidung seines Weiterbewilligungsantrages beruhe.

Der Entscheidung des Sozialgerichts Dortmund ist vollumfänglich zuzustimmen, so dass den betroffenen Leistungsempfängern grundsätzlich anzuraten ist, gegen derartige Erstattungsbescheide der Jobcenter Widerspruch einzulegen und notfalls die eigenen Rechte durch Erhebung der Klage vor den Sozialgerichten durchzusetzen.

Sozialgericht Dortmund, Urteil vom 21.09.2016 – Az.: S 35 AS 1879/14