Kostenfreier Rücktritt vom Reisevertrag wegen Corona-Virus auch ohne Reisewarnung

Autor: Rechtsanwalt Daniel Neubauer – verfasst am 30. November 2021
Kategorie: Reiserecht

Die Gefährdung durch eine Infektionslage durch das Corona-Virus stellt unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände nach § 651h BGB dar, die den Reisenden zum kostenfreien Rücktritt vom Reisevertrag berechtigen können. Das alleinige Abstellen auf das Vorliegen einer Reisewarnung ist dabei nicht möglich, vielmehr handelt es sich lediglich um ein starkes Indiz, jedoch gerade nicht um eine Notwendigkeit.

Das Amtsgericht Bochum ist in seiner Entscheidung vom 01.07.2021 (Az.: 55 C 13/21) unserer Argumentation vollumfänglich gefolgt und hat den Reiseveranstalter zur Rückzahlung des Reisepreises (Anzahlung) verurteilt. Gebucht hatte der Reisende im Jahr 2019 eine Reise nach Mallorca, die Mitte September 2020 erfolgen sollte. Rund einen Monat vor Reisebeginn stornierte der Reisende die Reise aufgrund der vorherrschenden Corona-Pandemie. Eine Reisewarnung des Auswärtigen Amtes lag zum Zeitpunkt des Rücktritts nicht vor.

Das Amtsgericht wies in seiner Entscheidung darauf hin, dass die Beachtung von Hygienemaßnahmen und das Tragen einer Maske die grundsätzliche Gefahr einer Infektion mit dem Corona-Virus durch den Reisenden zwar verringern, jedoch auch unter Ergreifung aller zumutbaren Maßnahmen nicht vermeiden könne.

Das grundsätzliche Infektionsgeschehen im Zielgebiet und die damit einhergehenden Beschränkungen sprechen für eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass auch zum Zeitpunkt der Reise erhebliche Beeinträchtigungen in Form einer Gesundheitsgefahr für den Reisenden durch das anhaltende Pandemiegeschehen bestehen werden. Hierbei seien nach Ansicht des Amtsgerichts auch die individuellen Umstände des Reisenden zu berücksichtigen. Hierzu gehöre, dass die mitreisende Ehefrau des Klägers aufgrund ihrer Lungenfunktionsstörung zu einer Gruppe gehöre, für die ein erhöhtes Risiko eines schweren oder gar tödlichen Verlaufs einer Infektion bestehe.

Daher konnte der Reisende kostenfrei vom Reisevertrag zurücktreten, so dass der Veranstalter den für die Reise gezahlten Anzahlungsbetrag an den Reisenden zu erstatten hatte.

Amtsgericht Bochum, Urteil vom 01.07.2021 – Az.: 55 C 13/21